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Der Mensch überträgt doppelt so viele Viren auf Tiere wie umgekehrt

Baku, 27. März, AZERTAC

Viele gefährliche Infektionskrankheiten wurden in der Vergangenheit von Tieren auf den Menschen übertragen. Das Coronavirus ist das jüngste bekannte Beispiel, aber längst nicht das erste. In der Forschung spielte umgekehrt bisher allerdings kaum eine Rolle, welche Viren der Mensch auf die Tierwelt überträgt – und was er damit anrichtet.
Dabei gibt es solche sogenannten Sprünge von Menschen auf Tiere laut einer neuen Studie in hohem Ausmaß, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal „Nature Ecology & Evolution“ . Menschen geben demnach mehr Viren an Haus- und Wildtiere weiter, als sie sich bei ihnen einfangen.
Dieser als Spillover bekannte Prozess wurde bisher vor allem für den Menschen untersucht: Ebola, Grippe und Covid-19 haben ihren Ursprung im Tierreich, auch Masern und Pocken sind solche sogenannten Zoonosen . Faktoren wie die zunehmende Bevölkerungsdichte und das Vordringen des Menschen in bisher unerschlossene Gebiete erhöhen das Risiko für solche Übertragungen.
Die Gruppe um Cedric Tan vom University College London (UCL) hat nun fast zwölf Millionen virale Erbgutsequenzen untersucht, um zu rekonstruieren, welche Viren von einem Wirt auf eine andere Wirbeltierart übergesprungen sind. Den Ergebnissen zufolge gab es etwa doppelt so viele Sprünge vom Menschen auf Tiere (Anthroponose genannt) als von Tieren auf Menschen.
Von den 599 identifizierten Wirtssprüngen wurden 64 Prozent als anthroponotisch gewertet. Zum Beispiel seien Sars-CoV-2 und Influenza A mehrfach auf Nutztiere oder in Gefangenschaft lebende Wildtiere übertragen worden. Häufig nachzuweisen waren zudem Wirtssprünge von Tier zu Tier.
„Wir sollten den Menschen nur als einen Knotenpunkt in einem riesigen Netzwerk von Wirten betrachten, die endlos Krankheitserreger austauschen, und nicht als eine Senke für zoonotische Erreger“, erklärte UCL-Mitautor François Balloux.
Für manche Tierarten ist der Mensch ein existenzielles Risiko - Wird eine Krankheit vom Menschen auf ein Tier übertragen, bedeute das ein mögliches Risiko für den Erhalt dieser Spezies, heißt es in der Studie. „Zum Beispiel hat das vom Menschen übertragene Metapneumovirus tödliche Ausbrüche von Atemwegserkrankungen bei Schimpansen in Gefangenschaft verursacht.“
Ein solcher Spillover in einer Nutztierpopulation könne sich auch auf die Lebensmittelsicherheit auswirken – etwa, wenn viele Tiere getötet werden müssten, um die weitere Ausbreitung einzudämmen. Zudem würden sich Viren bei Wirtssprüngen oftmals verändern. Das belege, dass Viren sich anpassen müssen, um neue Wirte gut nutzen zu können.
Bei Viren, die bereits viele Tierarten infizieren, seien die Veränderungen bei einem neuen Sprung geringer – ein Virus mit breitem Wirtsspektrum verfüge dann anscheinend schon über viele der für eine Anpassung nötigen Eigenschaften, folgern die Forschenden.
Allerdings könne sich das Gesamtbild noch deutlich ändern, wenn das Erbgut von wesentlich mehr Viren erfasst sei, meinen die Studienautoren. Die bisherigen Sequenzen gäben nur einen winzigen Bruchteil der existierenden Wirbeltier-Viren wieder. Vor allem das Ausmaß der Sprünge zwischen Tierarten werde sicher noch weit unterschätzt. Schenke man diesen Übertragungen mehr Beachtung, könne das womöglich auch helfen, künftige Pandemien zu verhindern.

Gesellschaft 2024-03-27 14:39:00