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Klimawandel: Schelfeis ist in Rekordgeschwindigkeit gebrochen

Baku, 2. März, AZERTAC

Dass in der Antarktis Risse in Eisplatten entstehen und von Zeit zu Zeit riesige Eisberge abbrechen, ist ein natürlicher Prozess. Vergangenes Jahr etwa entließ der Kontinent einen rund 1550 Quadratkilometer großen Eisberg in den Ozean. Doch der Klimawandel beschleunigt den Vorgang. Wie genau wärmere Ozeane dazu beitragen, dass von Gletschern aufs Meer geschobenes Schelfeis abbricht, haben Fachleute nun untersucht.
Das Forschungsteam der Universität von Washington analysierte einen Riss aus dem Jahr 2012 im Schelfeis des riesigen Pine-Island-Gletschers. Der Gletscher schiebt Eis in die Amundsensee im Westen der Antarktis, wo es ab einem Punkt beginnt, auf dem Meer zu schwimmen. Das Fachteam kombinierte Informationen eines Radarsatelliten mit den Daten von seismischen Instrumenten, die 2012 andere Forschende auf dem Schelfeis des Gletschers platziert hatten.
Es zeigte sich, dass der Riss damals in nur etwa fünfeinhalb Minuten über 10,5 Kilometer lang wurde. Das entspricht einer Rissgeschwindigkeit von 35 Metern pro Sekunde oder 126 Kilometern pro Stunde. „Unseres Wissens nach ist das die schnellste Rissöffnung, die jemals beobachtet wurde“, sagt Hauptautorin Stephanie Olinger, die den Riss im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Washington- und Harvard-Universität analysiert hat. Den Forschenden zufolge dauert es in anderen Teilen der Antarktis oft Monate oder Jahre, bis sich derart große Risse bilden. Die Studie ist im Fachmagazin „AGU Advances“ erschienen.
Risse im Schelfeis entstehen, bevor der Gletscher kalbt, also bevor ganze Eisbrocken vom Schelfeis abbrechen und davonschwimmen. Im beobachteten Fall hat sich der abbrechende Eisberg inzwischen längst vom Kontinent gelöst.
Pine-Island-Gletscher brach ähnlich wie Glas - Doch wie genau kommen die Risse zustande, die letztlich das Eis vom Festland trennen? Bricht das Eis so ähnlich wie Glas oder doch eher, wie wenn man Knete auseinanderreißt? „Unsere Berechnungen für diesen Fall zeigen, dass es sich eher um Glasbruch handelt“, sagt Olinger in einer Mitteilung . Dass es das Eis nicht noch schneller auseinandergerissen hat – wie es bei sprödem Material möglich gewesen wäre –, dafür sorgte wohl das Meerwasser. Es dringt von unten in Spalten ein und bremste die Ausbreitung des Risses offenbar etwas.
Ob der ungewöhnlich schnelle Bruch im Pine-Island-Gletscher eine neue Klasse solcher Risse darstellt oder solche Risse bisher einfach nicht beobachtet wurden, bleibe offen, schreiben die Forschenden.
In den Gletschern Grönlands und der Antarktis lagert so viel gefrorenes Wasser, dass die Weltmeere bei seinem Abschmelzen um mehrere Meter ansteigen würden. Im Pine-Island-Gletschersystem sind etwa zehn Prozent der Masse des Westantarktischen Eisschilds zu finden. Noch dazu versperrt es den dahinterliegenden Eismassen in der Region den Abfluss ins Meer. Der Zustand des Gletschers ist somit entscheidend für die Frage, wie stark der Meeresspiegel global ansteigt.
Das Eis der Gletscher erhöht den Meeresspiegel, sobald es in den Ozean fließt. Brechen große Teile Schelfeis besonders schnell ab, kann das jedoch die Fließgeschwindigkeit eines Gletschers erhöhen – und damit auch den Meeresspiegelanstieg beschleunigen.

Gesellschaft 2024-03-02 13:57:00