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Diabetesrisiko bei Kindern und Jugendlichen seit Corona-Pandemie gestiegen

Baku, 4. Juli, AZERTAC

Die Kinder plagen ständige Müdigkeit, schier unbändiger Durst, sie verlieren Gewicht. Das sind mögliche Anzeichen für die häufigste chronische Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen: Diabetes Typ 1. Die Krankheit trifft Familien meist unvorbereitet und unverschuldet, anders als beim Typ 2 gilt etwa Übergewicht nicht als entscheidender Risikofaktor.
Mehrere Studien haben gezeigt, dass während der Pandemie mehr Kinder und Jugendliche an Diabetes Typ 1 erkrankt sind. Zwei aktuelle Beispiele:
Im ersten Jahr der Pandemie bekamen 14 Prozent mehr Kinder die Diagnose Diabetes Typ 1 als noch vor der Pandemie, im zweiten Jahr waren es sogar 27 Prozent. Das zeigt eine aktuelle Analyse aus dem Fachblatt “Jama Network Open“, für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten von mehr als 30.000 Heranwachsenden analysiert haben, auch aus Deutschland.
Eine Studie mit den Daten von Krankenkassen aus Bayern von Ende Mai zeigt: Kinder, die sich mit dem Coronavirus infizierten, hatten ein 57 Prozent höheres Risiko an Diabetes Typ 1 zu erkranken.
Weitere Analysen kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Unklar bleibt das Warum.
Bei Diabetes Typ 1 greift der Körper Insulinzellen an, die den Zuckerspiegel steuern. “Die Bildung von Autoantikörpern gegen Insulin-produzierende Zellen der Bauchspeicheldrüse führt bei Kindern und Jugendlichen zu einem schleichenden Insulinmangel“, sagt Kinderarzt Thomas Kapellen von der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie laut einer Mitteilung.
Im schlimmsten Fall entgleist der Stoffwechsel, Betroffenen wird übel, sie erbrechen, ihre Atmung geht schneller, aus ihrem Mund strömt ein süßlicher Geruch nach Aceton. Im Fachjargon ist von diabetischer Ketoazidose (DKA) die Rede. Sie kann lebensbedrohlich werden.
Während des Lockdowns im Frühjahr 2020 haben sich mit 238 betroffenen Kindern die Fälle von DKA in Deutschland verdoppelt, heißt es in einer Mitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft. “Insbesondere die Fallzahl der Vorschulkinder mit einer schweren DKA ist angestiegen“, so Kapellen.
Stress oder das Virus selbst? - Eine mögliche Erklärung könnte das Virus selbst sein. So gibt es Hinweise, dass der Erreger den Zuckerstoffwechsel beeinflussen könnte. Nicht nur das: Zellen, die Insulin produzieren, verfügen über sogenannte ACE2-Rezeptoren, die das Virus als Einfallstor für eine Infektion nutzt. Es besteht also die Möglichkeit, dass der Erreger diese Zellen befallen kann. Auch andere Infektionskrankheiten stehen im Verdacht, das Risiko für Diabetes Typ 1 zu erhöhen.
Eine Infektion ist aber nicht die einzige mögliche Erklärung: “Psychologischer Stress“, heißt es etwa auf der Website des Robert Koch-Instituts, “ausgelöst zum Beispiel durch social distancing während des Lockdowns in Deutschland, als Kindergärten und Schulen geschlossen waren, kann bei Kindern und Jugendlichen das Risiko eines Typ-1-Diabetes erhöhen.“
Diabetes Typ 1 ist nicht heilbar, den Betroffenen muss ihr Leben lang Insulin verabreicht werden. Im Jahr 2020 waren etwa 31.500 Kinder und Jugendliche in Deutschland von Diabetes Typ 1 betroffen. Schon vor der Pandemie ist die Rate an Neuerkrankungen bei Kindern in Europa gestiegen, im Schnitt um drei Prozent pro Jahr.

Gesundheit 2023-07-04 16:17:00