×
A
A
A
Einstellungen

Europa ist noch nie weich auf dem Mars gelandet

Baku, 20. Oktober, AZERTAC

Ungefähr 50 Sekunden vor der Landung hat die Esa den Kontakt zu ihrem Marslander "Schiaparelli" verloren. Seitdem schweigt die Raumsonde, wahrscheinlich für immer. Die Experten bemühen sich um Zweckoptimismus.
Europa ist noch nie weich auf dem Mars gelandet, Russland auch nicht. Die Nasa dagegen schon. Deshalb hätte die Esa sicher gerne die Nachricht verbreitet. Auch Europa ist weich und kontrolliert auf dem Roten Planeten aufgesetzt. Doch ganz so kontrolliert war die Mission nicht.
Irgendetwas scheint schiefgelaufen zu sein. Die Signale des europäisch-russischen Mars-Moduls "Schiaparelli" seien ungefähr 50 Sekunden vor der geplanten Landung am Mittwoch abgerissen, erklärte Esa-Experte Andrea Accomazzo am Donnerstag im Kontrollzentrum in Darmstadt. "Das Raumfahrzeug hat sich nicht so verhalten, wie wir das erwartet haben." Seitdem ist "Schiaparelli" still. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das auch so bleibt.
Als Landezone hatten Missionsmanager das Meridiani Planum ausgewählt. Diese Hochebene am Äquator des Roten Planeten ist in weiten Teilen flach wie ein Brett. Mächtige Staubstürme ziehen über das Land - es gibt spannendere Gegenden auf dem Mars. Einst hat es hier, so legen bisherige Erkenntnisse nahe, wohl große Mengen flüssigen Wassers gegeben. Die Hinweise darauf stammen vom Nasa-Roboterauto "Opportunity", das hier seit 2004 unterwegs ist und dabei mehr als 42 Kilometer Fahrstrecke zurückgelegt hat.
Die Esa-Fachleute hatten das Meridiani Planum wegen seiner scheinbaren Langeweile ausgesucht: Hier sollte "Schiaparelli" aufsetzen - um das Risiko zu minimieren. Mit Hindernissen am Boden war kaum zu rechnen, außerdem liegt das Gebiet im Gegensatz zu felsigen Gebirgsregionen schön niedrig. Das heißt, mit einem Fallschirm hat man mehr Zeit zum Abbremsen.
Dass der Forschungsroboter tatsächlich irgendwo in den Weiten von Meridiani Planum aufgesetzt ist, bezweifelt niemand - die Frage bleibt: In welchem Zustand? Womöglich eben nur als kosmischer Schrotthaufen aus Beton (viel, als Ballast) und Elektronik (wenig, neben der Landetechnik war nur eine Art Wetterstation an Bord). Als sicher gilt, dass die 15 Schwarz-Weiß-Bilder, die die Sonde im Landeanflug von der Marsoberfläche knipsen und nachher zur Erde schicken sollte, nie jemand sehen wird.
Am Mittwoch war das Lauschen ins All ohne Ergebnis geblieben. Zuerst sollte ein riesiges Radioteleskop in Indien das Landesignal von "Schiaparelli" aufspüren, danach die Raumsonden "Mars Express" (Esa) und "Mars Reconiassance Orbiter" (Nasa). Doch das klappte nicht. Auch der Rover "Opportunity" schaffte es nicht, ein Foto des Esa-Cousins beim Landeanflug zu machen. Zwar zeigen Aufnahmen einen leuchtenden Streifen am Marshimmel, doch Experten gehen davon aus, dass dort nur hochenergetische Partikel aus den Tiefen des Kosmos den Sensor der Kamera getroffen haben.
Also war eine Nachtschicht angesagt, um das Schicksal von "Schiaparelli" zu ergründen. Der Landeroboter gehört ebenso wie der Orbiter "TGO" zur europäisch-russischen Mission "ExoMars". Und "TGO" funktioniere erstens gut und habe zweitens jede Menge Daten vom Landemodul während dessen Abstieg erhalten, heißt es bei der Esa. "Bis zu einem gewissen Punkt", wie Accomazzo es ausdrückt.
Hitzeschild aus Kork und Phenolharzen - Es war ein wahrer Höllenritt, den der Landeroboter 175 Millionen Kilometer von der Erde entfernt über sich ergehen lassen musste: "Schiaparelli" trat mit 21.000 Kilometern in der Stunde in die Marsatmosphäre ein - und wurde ziemlich abrupt von dieser abgebremst. Ein Hitzeschild aus Kork und Phenolharzen sollte die Hitze abhalten. Das habe laut den Daten auch "problemlos funktioniert", sagt Accomazzo.
Elf Kilometer über dem Boden sollte sich der zwölf Meter große Fallschirm öffnen und "Schiaparelli" weiter entschleunigen. Auch das Ausfahren dieses Fallschirms und das weitere Abbremsen habe wie geplant geklappt, so Accomazzo. Probleme muss es etwa um die Zeit gegeben haben, als der Schirm abgetrennt werden solle. Ab hier habe sich die Sonde anders verhalten als vorgesehen.
Zwar hätte sowohl das Radar zur Abstandskontrolle funktioniert als auch die Bremstriebwerke für die letzte Phase des Abstiegs. Doch hätten diese nur drei oder vier Sekunden gefeuert, "viel kürzer als vorgesehen", sagt Accomazzo. Geplant waren etwa 30 Sekunden, bis kurz vor dem Aufsetzen. Möglich, dass dies nun mit deutlich zu viel Wucht passierte. Die Analyse der Daten in den kommenden Tagen dürfte das zeigen.
Froh ist man bei der Esa, dass zumindest der Orbiter "TGO" wie geplant funktioniert. Der hatte am Mittwoch sein Triebwerk für ein entscheidendes Bremsmanöver gezündet - und konnte tatsächlich in die Umlaufbahn um den Mars einschwenken. Dort wird die Sonde nun langsam auf eine kreisförmige 400-Kilometer-Umlaufbahn gebracht. Das passiert nur durch die Reibung der Marsatmosphäre an den großen Solarpaneelen.

Technologie 2016-10-20 20:39:00