US-Forscher: Gehirne von Jugendlichen alterten laut Studie in der Coronazeit schneller
Baku, 11. September, AZERTAC
Durch die Isolation in der Coronapandemie sind die Gehirne von Jugendlichen möglicherweise schneller gealtert. Zu diesem Schluss kommt eine neurophysiologische Studie von der University of Washington in Seattle, die nun in der Fachzeitschrift „PNAS“ veröffentlicht wurde.
Demnach habe sich die Gehirnentwicklung bei Mädchen im Mittel um 4,2 Jahre beschleunigt, bei Jungen um 1,4 Jahre. „Diese Ergebnisse deuten eine größere Anfälligkeit des weiblichen Gehirns im Vergleich zum männlichen Gehirn für die Veränderungen des Lebensstils durch Lockdowns an“, folgerte das Forschungsteam. Die Forschenden verwiesen auf etablierte wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen eine ungewöhnlich schnelle Gehirnentwicklung oft auf chronischen Stress während der Entwicklungsphase zurückzuführen sei und in Zusammenhang mit neuropsychiatrischen oder Verhaltensstörungen stehe.
Gemessen wurde der Rückgang der Hirnrinde (Kortex) mithilfe von Aufnahmen im Magnetresonanztomografen (MRT). Dass der Kortex im Lauf der Zeit dünner wird, gilt als normale Entwicklung. Laut den Daten der US-Studie geschah dies jedoch während der Lockdowns schneller als zuvor. Die Forschenden hatten bereits 2018, also vor der Coronapandemie, 160 Kinder und Jugendliche zwischen neun und 17 Jahren untersucht und anhand der damaligen Messungen ein Modell der typischen Entwicklung entworfen. Damit verglichen sie neue MRT-Scans, die sie in den Jahren 2021 und 2022 von 12- bis 16-Jährigen aus derselben Gruppe aufnahmen. Demnach schrumpfte der Cortex bei einem Jungen beschleunigt, aber bei 30 Mädchen, und zwar über beide Gehirnhälften sowie alle Hirnlappen hinweg.
Expertinnen und Experten skeptisch - Die Studie dürfte der laufenden Diskussion Nahrung liefern, inwiefern die Politik gegen die Ausbreitung von Covid-19 besonders Jugendliche übermäßig belastet hat.
Nicht an der Studie beteiligte Expertinnen und Experten bewerteten die Ergebnisse jedoch skeptisch. Grundsätzlich sei die Idee dieser Untersuchung „sehr interessant“ und „das Ergebnis nicht unerwartet“, erklärte Sofie Valk vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig auf Nachfrage des „Science Media Center“ (SMC). Die Studie lasse jedoch viele Fragen offen und könne „ihre Aussagen nicht gut belegen“.
So sei die Zahl der Probandinnen und Probanden »vielleicht zu klein«, auch mit Blick auf die festgestellten Geschlechtsunterschiede. Zudem habe das Forschungsteam keine Verhaltensänderungen oder psychische Symptome bei den einzelnen Jugendlichen erfasst, obwohl sich dies bei einer solchen Längsschnittstudie angeboten hätte. Wissenschaftlich sei nicht geklärt, warum sich die Kortexdicke ändert und welche Effekte sich daran ablesen lassen, fügte Valk hinzu.
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