Experten fordern Regeln für Medizinforschung im All
Baku, 30. September, AZERTAC
Ein Flug in den Weltraum ist schlecht für die Gesundheit - vor allem, wenn der Aufenthalt im All nicht nur ein paar Stunden, sondern viele Wochen oder Monate dauert. Die Knochen von Raumfahrerinnen und Raumfahrer werden brüchig. Die Muskeln schwinden ohne Training in beängstigendem Tempo. Die Sehleistung lässt rapide nach, sogar das Gehirn leidet messbar. Dazu kommt ein höheres Krebsrisiko durch die starke Strahlenbelastung im All, wie AZERTAC unter Berufung auf Spiegel berichtete.
Andererseits bieten Raumflüge, vor allem zur Internationalen Raumstation (ISS), faszinierende Möglichkeiten, um die medizinische Forschung auf der Erde voranzubringen. So machen entsprechende Versuche einen beachtlichen Teil des Experimentierprogramms auf Langzeitmissionen aus, etwa im Bereich der Krebs- und der Altersforschung.
Vier Grundprinzipien vorgeschlagen - Williams sowie weitere Expertinnen und Experten fordern daher nun im Wissenschaftsmagazin “Science“ Regeln für medizinische Versuche bei privaten Raumflügen. “Da wir in eine Zukunft mit mehr Weltraumreisen und mehr Teilnehmern an der kommerziellen Raumfahrt blicken, müssen wir vorausschauend planen“, sagt Co-Autorin Jennifer Fogarty vom Zentrum für Weltraummedizin des Baylor College of Medicine in Houston im US-Bundesstaat Texas. Die wissenschaftliche Forschung im Weltraum müsse “für möglichst viele Menschen so sicher und produktiv wie möglich“ gemacht werden. Zu der Expertengruppe gehören auch Vertreter der privaten Raumfahrtfirmen Axiom Space und Blue Origin, die private Flüge anbieten respektive anbieten wollen.
Konkret schlagen die Fachleute vier Grundprinzipien vor:
Soziale Verantwortung: Die kommerzielle Raumfahrt, argumentiert die Gruppe, ist nur durch erhebliche öffentliche Investitionen möglich gemacht worden. Demnach sollte die Forschung im Bereich der kommerziellen Raumfahrt der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Vor allem in der Frühzeit der kommerziellen Raumfahrt würden Erkenntnisse gesammelt, die entscheidend für die Sicherheit kommender Missionen seien sowie die Gesundheit von Menschen auf der Erde verbessern könnten.
Wissenschaftliche Exzellenz: Um Teilnehmer zu schützen und Ressourcen nicht zu verschwenden, sollten schlecht konzipierte, doppelte und niedrig priorisierte Studien vermieden werden. Das würde nur zu “minderwertigen Daten“ führen. Schlechte Wissenschaft sei außerdem schlecht fürs Geschäft der privaten Raumfahrtfirmen - unter anderem, weil Haftungsrisiken drohten.
Verhältnismäßigkeit: Das Risiko der Forschung müsse “so weit wie möglich minimiert und im Verhältnis zum erwarteten Nutzen“ für die einzelnen Teilnehmer und die Gesellschaft abgewogen werden. Dabei sei zu beachten, dass auf der Erde risikolose medizinische Prozeduren im All zu Problemen führen könnten.
Globale Verantwortung: Die Vorteile, den Weltraum zu erforschen, müssten allen Menschen zugutekommen. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei kommerzieller Raumfahrt derzeit zu einem großen Teil um das Hobby gut betuchter Personen handelt, ist das tatsächlich keine Selbstverständlichkeit.
Ein grundsätzliches Dokument, das sich mit den ethischen Grundsätzen medizinischer Forschung befasst, ist die Helsinki-Deklaration des Weltärztebundes. Sie wurde 1964 verabschiedet und seitdem immer wieder ergänzt, zuletzt 2013. Darin ist unter anderem festgelegt, dass Probanden immer selbst entscheiden können müssen, ob sie an medizinischen Versuchen teilnehmen. Weiterhin soll das Wohlergehen der Versuchsperson immer Vorrang vor den Interessen der Wissenschaft haben. Außerdem soll jedes Forschungsvorhaben von einer unabhängigen Ethikkommission der Forschungseinrichtung genehmigt werden. Die Deklaration stellt allerdings kein unmittelbar bindendes Recht dar. In den Vorschlägen der Expertengruppe wird sie nicht explizit erwähnt.
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