×
A
A
A
Einstellungen

WHO: Beim Alkoholkonsum gibt es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge

Baku, 14. Januar, AZERTAC

Die mit Alkoholkonsum verbundenen Risiken und Schäden wurden über die Jahre systematisch evaluiert und sind hinreichend dokumentiert. Die Weltgesundheitsorganisation hat nun in dem Fachjournal The Lancet Public Health eine Erklärung veröffentlicht, deren Fazit lautet: Beim Alkoholkonsum gibt es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge.
Die Schäden werden durch den Alkohol, nicht das Getränk verursacht - Alkohol ist eine toxische, psychoaktive und süchtig machende Substanz und wurde vom Internationalen Krebsforschungszentrum schon vor Jahrzehnten als Karzinogen der Gruppe 1 eingestuft – das ist die höchste Risikogruppe, zu der auch Asbest, Strahlung und Tabak gehören. Alkoholkonsum ist für mindestens sieben Krebsarten verantwortlich, darunter die häufigsten Formen wie Brustkrebs bei Frauen und Darmkrebs. Äthanol (Alkohol) verursacht Krebs durch biologische Mechanismen, wenn die Verbindung im Körper abgebaut wird, sodass jedes alkoholische Getränk unabhängig von Preis und Qualität mit einem Krebsrisiko verbunden ist.
Mit steigendem Alkoholkonsum erhöht sich das Krebsrisiko erheblich. Doch die neuesten verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass die Hälfte der dem Alkohol zurechenbaren Krebsfälle in der Europäischen Region der WHO durch “leichten“ bis “moderaten“ Alkoholkonsum – weniger als 1,5 Liter Wein oder weniger als 3,5 Liter Bier oder weniger als 450 Milliliter Spirituosen pro Woche – verursacht werden. Dieses Trinkverhalten ist für einen Großteil aller alkoholbedingten Fälle von Brustkrebs bei Frauen verantwortlich, wobei die höchste Prävalenz in den Ländern der Europäischen Union festzustellen ist. In den EU-Staaten ist Krebs die führende Todesursache – mit einer ständig steigenden Inzidenzrate –, und die Mehrheit aller alkoholbedingten Todesfälle ist auf verschiedene Krebsarten zurückzuführen.
Risiken beginnen beim ersten Tropfen -Um ein gesundheitlich “unbedenkliches“ Niveau an Alkoholkonsum zu bestimmen, müssten gültige wissenschaftliche Belege dafür gefunden werden, dass an bzw. unter einem bestimmten Niveau kein mit Alkoholkonsum verbundenes Erkrankungs- oder Verletzungsrisiko mehr besteht. In der neuen Erklärung der WHO wird klargestellt: Der gegenwärtige Kenntnisstand deutet nicht auf die Existenz einer Schwelle hin, an der die krebserregenden Wirkungen des Alkohols „einsetzen“ und sich im menschlichen Körper manifestieren.
Ebenso gibt es keine Studien, die belegen, dass die potenzielle positive Wirkung eines leichten bis mäßigen Alkoholkonsums auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes die mit demselben Niveau des Alkoholkonsums verbundenen Krebsrisiken für individuelle Konsumenten überwiegt.
“Von einer gesundheitlich unbedenklichen Menge an Alkoholkonsum kann nicht die Rede sein. Egal, wie viel man trinkt – das Risiko für die Gesundheit beginnt schon beim ersten Tropfen jedes alkoholischen Getränks. Das Einzige, was wir mit Sicherheit sagen können, ist: je mehr man trinkt, desto schädlicher die Wirkung – oder anders ausgedrückt: je weniger man trinkt, desto sicherer ist man“, erklärt Dr. Carina Ferreira-Borges, kommissarische Leiterin des Referats Management nichtübertragbarer Krankheiten und Regionalbeauftragte für Alkohol und illegale Drogen beim WHO-Regionalbüro für Europa.
Dennoch ist die Frage nach etwaigen positiven Auswirkungen von Alkoholkonsum unter Wissenschaftlern seit Jahren umstritten.
“Potenzielle Schutzwirkungen des Alkoholkonsums, wie sie von manchen Untersuchungen nahegelegt werden, sind eng mit den jeweils gewählten Vergleichsgruppen und statistischen Methoden verbunden, bei denen möglicherweise andere relevante Einflussfaktoren unberücksichtigt bleiben“, stellt Dr. Jürgen Rehm, Mitglied des vom WHO-Regionaldirektor für Europa eingesetzten Fachlichen Beirats für Innovationen im Bereich der nichtübertragbaren Krankheiten und Leitender Wissenschaftler am Forschungsinstitut für Psychiatriepolitik und am Campbell-Forschungsinstitut für Familienpsychiatrie beim Zentrum für Suchterkrankungen und psychische Gesundheit in Toronto, klar.
Wir sehen nicht das große Ganze - Europa weist von allen Regionen der WHO den höchsten Alkoholkonsum und den höchsten Anteil an Trinkern in der Bevölkerung auf. So sind in der Europäischen Region über 200 Mio. Menschen gefährdet, an einem alkoholbedingten Krebs zu erkranken.
Benachteiligte und besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen weisen höhere alkoholbedingte Todesfall- und Hospitalisierungsraten auf, da die Schäden aufgrund einer bestimmten Menge und eines bestimmten Trinkverhaltens bei einkommensschwachen Trinkern und ihren Familien in jeder Gesellschaft höher ausfallen als unter wohlhabenderen Trinkern.
“Wenn wir also von einem möglichen unbedenklichen Niveau von Alkoholkonsum oder von Schutzwirkung sprechen, sehen wir nicht das große Ganze in Bezug auf alkoholbedingte Schäden in unserer Region und weltweit. Denn obwohl als gesichert gilt, dass Alkoholkonsum Krebs verursachen kann, ist diese Tatsache in den meisten Ländern immer noch nicht allgemein bekannt. Wir brauchen konkret auf Krebs bezogene Gesundheitsinformationen auf Etiketten von alkoholischen Getränken, wie schon bei Tabakprodukten der Fall; wir brauchen ein ausreichend geschultes und befähigtes Gesundheitspersonal, das sich in der Lage fühlt, seine Patienten über Alkoholkonsum und Krebsrisiken aufzuklären; und wir brauchen ein allgemeines Bewusstsein für diese Thematik in den Ländern und in der Bevölkerung“, fügt Dr. Ferreira-Borges hinzu.

Wissenschaft und bildung 2023-01-14 12:22:00