×
A
A
A
Einstellungen

Große Zusammenstöße sind eine häufige Erscheinung in letzter Phase der Planetenentstehung

Baku, 3. November, AZERTAC

Kurz nach der Entstehung des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren stieß der Himmelskörper Theia mit der Ur-Erde zusammen. Aus den ins All geschleuderten Trümmern - einem Gemisch aus Materie von Theia und Ur-Erde - entstand unser Mond. Doch Überreste von Theia haben sich auch tief im Mantel der Erde erhalten, hat jetzt ein Forschungsteam aus den USA und Großbritannien herausgefunden. Zwei bislang rätselhafte Regionen erhöhter Dichte lassen sich als Ansammlungen von Theia-Materie erklären, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“ .
„Seismische Untersuchungen des Erdinneren zeigen zwei Kontinent-große Regionen, in denen sich seismische Wellen ungewöhnlich langsam ausbreiten“, erläutern Qian Yuan von der Arizona State University und seine Kollegen. Die Bereiche tief im Mantel der Erde unterscheiden sich demnach in ihrer Zusammensetzung vom umgebenden Material des Erdmantels und sind zwei bis dreieinhalb Prozent dichter. Bislang gab es für diese Regionen keine allgemein akzeptierte wissenschaftliche Erklärung.
Umfangreiche Computersimulationen des Fachteams legen nahe, dass solche dichteren Regionen entstehen, wenn Himmelskörper während der Planetenentstehung kollidieren. Und, dass es sich damit bei den beiden Anomalien, die tief im Erdmantel unter dem Pazifik und unter Afrika liegen, um Überreste des Mars-großen Protoplaneten Theia handeln könnte. „Unsere Simulationen des Zusammenpralls zeigen, dass ein Teil des Mantels von Theia in den unteren Mantel der Erde gewandert sein könnte“, so das Fachteam.
Bis zu fünfzig Kilometer große Bruchstücke - Laut der Simulation müssten die absinkenden Bruchstücke des Theia-Mantels eine Dichte haben, die um zwei bis dreieinhalb Prozent höher liegt als die des normalen Erdmantels. Das Ergebnis aus dem Computermodell stimmt also ziemlich genau mit den aus seismischen Untersuchungen abgeleiteten Werten überein. Die Arbeit legt auch nahe, dass die Bruchstücke aus dem Theia-Mantel, die in das Innere der Erde sanken, bis zu fünfzig Kilometer groß waren. Oberhalb des Erdkerns vereinigten sie sich laut Simulation zu größeren Gebilden.
Diese größeren Verdichtungen blieben offenbar über viereinhalb Milliarden Jahre hinweg im Erdmantel stabil, also bis in die heutige Zeit hinein. Und es gibt noch ein weiteres Indiz, das für die Hypothese von Yuan und seinem Team spricht: Auf den Hawaii-Inseln findet sich eine Form vulkanischen Basalts, der in seiner Zusammensetzung erstaunlich dem Gestein der Lavaebenen auf dem Mond ähnelt. Dieses Gestein könnte seinen Ursprung in der tief unter Hawaii liegenden Region aus Theia-Materie haben.
Das Modell von den Fachleuten um Yuan ist nicht nur für das Erde-Mond-System von Bedeutung. „Große Zusammenstöße sind eine häufige Erscheinung in der letzten Phase der Planetenentstehung“, betont das Team. „Ähnliche Inhomogenitäten dürfte es deshalb auch im Inneren anderer Planeten geben.“ Und vielleicht lassen sich auch im Inneren der Erde Spuren noch früherer Kollisionen auffinden.

Wissenschaft und bildung 2023-11-03 11:46:00